Pflegegrad ermitteln

Die wichtigsten Fakten zur Pflegegradbestimmung
Inhalt dieses Beitrags

Es kann jeden treffen, nicht nur im Alter: Eine schwere Erkrankung oder ein Unfall und man wird zum Pflegefall. Betroffene und deren Angehörige stehen in solchen Fällen nicht nur emotional, sondern schnell auch finanziell vor einer großen Herausforderung. Pflege ist kostenaufwendig, deshalb erhalten Pflegebedürftige Leistungen von der Pflegekasse. Wer solche Leistungen beantragt, bekommt sie allerdings erst, nachdem der Pflegegrad ermittelt wurde. Ein unabhängiger Gutachter prüft dafür mithilfe eines Fragenkatalogs den tatsächlichen Pflegebedarf und den Umfang der Einschränkungen und vergibt Punkte nach einem vorgeschriebenen System. Je höher die Punktzahl ausfällt, umso höher ist auch der ermittelte Pflegegrad – von Pflegegrad 1, das heißt geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit, bis hin zu Pflegegrad 5, das heißt schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit.

Warum ist die Er­mittlung des Pflege­grads not­wendig?

Pflege kostet Geld und mit steigendem Pflegebedarf steigen auch die Ausgaben. In den seltensten Fällen  kommen Betroffene oder deren Angehörige ohne Leistungen der Pflegekasse aus, deshalb gehört ein entsprechender Antrag meistens zu den ersten Notwendigkeiten, die bei einem Pflegefall in der Familie erledigt werden müssen. Um Geld- und Sachleistung annähernd gerecht zu verteilen, wird Pflegebedürftigen je nach Einschränkung der Selbständigkeit ein Pflegegrad zwischen eins und fünf zugeteilt. Mit steigendem Pflegegrad steigen auch die Leistungen. Deshalb sollten sich Pflegebedürftige oder deren Angehörige mit dem Punktevergabesystem und den Kriterien, nach denen der Pflegegrad ermittelt wird, genauer auseinandersetzen. So kann man sich nicht nur auf den Termin für die Begutachtung vorbereiten, sondern auch mögliche Fehleinschätzungen durch den Gutachter und die Chancen auf eine Höherstufung des Pflegegrads besser beurteilen. Die Kriterien für die Pflegegrad-Ermittlung sind klar definiert. So lässt sich leicht nachprüfen, ob der zugesprochene Pflegegrad gerechtfertigt ist. Auch sogenannte Pflegegrad-Rechner können hierbei recht hilfreich sein.

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MDK und Medic­proof: Von die­sen Stellen wird der Pflege­grad ermittelt

Der Pflegegrad kann nicht konkret beantragt werden, dieser wird von unabhängigen Gutachtern ermittelt, nachdem bei der Pflegekasse ein Antrag auf Pflegeleistungen gestellt wurde. Welche Stelle diesen Gutachter schickt, hängt davon ab, ob Pflegebedürftige gesetzlich oder privat krankenversichert sind. Für gesetzlich Versicherte wird der Pflegegrad von Gutachtern des MDK, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung festgestellt. Im Falle von privat Versicherten wird das Pflegegutachten von Medicproof erstellt, dem medizinischen Dienst der Privatversicherer. Die Gutachter von MDK und Medicproof sind in der Regel Ärzte oder ausgebildetes Pflegepersonal und gehen der Gutachtertätigkeit nebenberuflich nach. Nachdem der gemeinsam vereinbarte Besuch des Gutachters stattgefunden hat, werden die Ergebnisse ausgewertet und ein Pflegegutachten erstellt. Das Gutachten und den Leistungsbescheid erhalten die Pflegebedürftigen im Anschluss daran per Post. Während der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie ist es möglich, dass die Begutachtung und Befragung, auf Basis derer das Pflegegutachten erstellt wird, telefonisch durchgeführt wird. In diesem Fall sollten sich Betroffene und Angehörige besonders gut vorbereiten, da der Gutachter nicht in der Lage ist, sich vor Ort ein Bild von der tatsächlichen Pflegesituation zu machen. Alles, was der Gutachter ansonsten selbst sehen könnte, sollte ihm deshalb in Worten am Telefon vermittelt werden.

Die 6 Module zur Er­mitt­lung des Pflege­grads

Um den Pflegegrad zu ermitteln, werden sechs Alltagsbereiche (Module) geprüft, die unterschiedlich gewichtet werden, je nachdem, wie sie sich auf die Selbständigkeit der Betroffenen auswirken. Mithilfe eines Fragenkatalogs vergibt der Gutachter für jedes Modul Punkte. Je eingeschränkter die Selbstständigkeit im Alltag ist, umso mehr Punkte werden vergeben und umso höher fällt auch der ermittelte Pflegegrad aus. Insgesamt werden bis zu 64 Fragen, aufgeteilt auf folgende sechs Module, für das Pflegegutachten durchgegangen:

Modul 1: Mobilität (10 %)

Bei diesem Modul geht es vor allem darum, ob die pflegebedürftige Person sich noch selbstständig bewegen und ihre Körperhaltung verändern kann. Im Rahmen dieses Moduls werden unter anderem konkrete Mobilitätssituationen abgefragt, um zu sehen, wie ausgeprägt die Einschränkungen sind. Dabei spielt zum Beispiel eine Rolle, ob die Betroffenen noch selbständig in einer stabilen Position sitzen, sich im Bett umdrehen oder aufsetzen oder Treppen steigen können. Je nach Beeinträchtigung wird die Situation mit einer Zahl zwischen 0, selbständig, und 3, unselbständig, bewertet. Ein Sonderfall tritt dann ein, wenn ein Betroffener weder Arme noch Beine bewegen bzw. gebrauchen kann. In diesem Fall wird dem Pflegebedürftigen automatisch Pflegegrad 5 zugesprochen, unabhängig von den anderen Modulen.

Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (7,5 %)

Mithilfe von insgesamt elf Unterpunkten wird in Modul 2 nicht nur geprüft, ob Pflegebedürftige sich räumlich und zeitlich noch orientieren und mitteilen und zum Beispiel an einem Gespräch teilnehmen können, sondern auch, wie ausgeprägt das Verständnis komplexer Sachverhalte oder Handlungen ist.

Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (7,5 %)

Modul drei dient dazu, festzustellen, ob Pflegebedürftige psychische Probleme haben bzw. sie wie häufig sie deshalb behandelt werden müssen. Dazu zählen neben motorischen und sozialen Auffälligkeiten auch Ängste, Aggressionen oder Antriebslosigkeit. Insgesamt gibt es hier 13 Unterpunkte, bewertet wird in mehreren Zeitintervallen von „nie“ bis „täglich“.

Modul 4: Selbstversorgung (40 %)

Das Modul Selbstversorgung wird sehr stark gewichtet, denn hier geht es um die Beeinträchtigung alltäglicher Fähigkeiten wie Körperpflege, Toilettengang, Zubereitung von Mahlzeiten sowie Essen und Trinken.

Modul 5: Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (20 %)

Modul fünf ist recht komplex und bezieht sich auf Belastungen, die durch die Therapie oder Behandlung von Krankheiten entstehen. Mithilfe von 16 Unterpunkten soll in diesem Modul ermittelt werden, ob die pflegebedürftige Person selbst noch Tätigkeiten ausführen, die für seine Therapie notwendig sind, etwa einen Verbandswechsel, das Setzen einer Spritze oder das Messen des Blutzuckerwerts. Wichtig ist auch, ob die Betroffenen Arzttermine noch selbst wahrnehmen oder sich an ärztliche Vorgaben halten können, zum Beispiel das Einhalten einer bestimmten Diät. Auch der Umgang mit solchen Belastungen fließt in die Bewertung mit ein. Bewertet wird entweder mit 0, das heißt, es bestehen keinerlei Probleme und der Betroffene kann noch selbständig agieren. Ansonsten beinhaltet die Bewertung eine Zeitangabe, also „täglich“, „wöchentlich“ oder „monatlich“. Diese bezieht sich darauf, wie oft Hilfestellung nötig ist, etwa durch pflegende Angehörige, einen Pflegedienst oder eine 24-Stunden-Pflegekraft. Ist diese Hilfe seltener als einmal monatlich nötig, wird „0“ angegeben.

Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte (15 %) 

Im letzten Modul geht es darum festzustellen, ob Pflegebedürftige ihren Tagesablauf noch selbst strukturieren und planen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. In sechs Unterpunkten wird deshalb ermittelt, ob Betroffene in der Lage sind, soziale Kontakte zu pflegen, zum Beispiel mit Freunden und Familienmitgliedern, und sich tagsüber sinnvoll zu beschäftigen. Bewertet wird mit einer Zahl zwischen 0, selbständig, und 3, unselbständig.     

 

Anhand der ermittelten Punkte ergibt sich dann der Pflegegrad, der dem Pflegebedürftigen zugesprochen wird. Ergibt sich aus der Befragung ein Punktewert unter 12,5, dann wird keine Pflegebedürftigkeit festgestellt. Das heißt, der Antrag auf Pflegeleistungen wird in diesem Fall abgelehnt. Mit Pflegegrad 1 haben Betroffene zwar Anspruch auf den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro monatlich, Pflegegeld bezahlt die Pflegekasse aber erst ab dem Pflegegrad 2.   

 

Ermittelter Pflegegrad

Punktzahl

Pflegegrad abgelehnt

< 12,5

Pflegegrad 1

12,5 – 27

Pflegegrad 2

27 – 47,5

Pflegegrad 3

47,5 – 70

Pflegegrad 4

70 – 90

Pflegegrad 5

90 – 100

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Welchen Pflege­grad braucht man für eine 24-Stunden-Pflege?

Die 24-Stunden-Pflege zählt zur privat organisieren Pflege, das heißt, sie kann jederzeit in Anspruch genommen werden, für die Kosten muss man allerdings im Zweifelsfall selbst aufkommen. Natürlich kann aber das Pflegegeld, das die Pflegekasse ab Pflegegrad 2 bezahlt, als Zuschuss für die Bezahlung einer 24-Stunden-Pflegekraft genutzt werden. Wer eine 24-Stunden-Pflege in Anspruch nimmt, hat meist ohnehin einen höheren Pflegegrad, andernfalls wäre eine Betreuung rund um die Uhr gar nicht erst notwendig. Obwohl die meisten Pflegebedürftigen, die eine 24-Stunden-Betreuungskaft engagieren, Pflegegrad 3 oder höher haben, ist die 24-Stunden-Pflege grundsätzlich nicht an den Pflegegrad gebunden. Die Kosten für die 24-Stunden-Pflege richten sich in der Regel auch nach dem Pflegebedarf, das heißt, je mehr Unterstützung eine Person braucht, desto höher sind die Kosten für die Pflege. Allerdings steigen mit dem ermittelten Pflegegrad auch die Geld- und Sachleistungen, die Pflegebedürftige von der Pflegekasse bekommen und die sie zumindest teilweise für die Deckung dieser Kosten verwenden können.

So finden Sie die richtige 24-Stunden-Betreuungs­kraft

Die richtige Pflegekraft zu finden, ist oft eine Herausforderung, denn bei einer Betreuung rund um die Uhr sollte nicht nur die Qualität der Pflege stimmen, sondern auch die Chemie zwischen dem Pflegebedürftigen und der 24-Stunden-Betreuungskraft. Diese kümmert sich nicht nur um Alltägliches wie Haushaltsführung oder Zubereitung der Mahlzeiten, sondern auch um Intimes wie Körperpflege oder den Toilettengang. Außerdem wohnen sie mit den Betroffenen unter einem Dach, anders als ein mobiler Pflegedienst, der mehrmals wöchentlich kommt und auch wieder geht. Die richtige Person zu finden, ist deshalb von besonderer Bedeutung. Wir von ennie wissen das, deshalb durchlaufen 24-Stunden-Betreuungskräfte, die sich auf unserer Online-Plattform anmelden möchten, ein persönliches Aufnahmeverfahren. Um eine hohe Qualität der Pflege gewährleisten zu können, dient ennie auch nicht als Agentur, sondern lediglich als Vermittler. So sparen sich 24-Stunden-Betreuungskräfte hohe Agenturgebühren, können mehr verdienen und sind auch entsprechend motiviert. Alle Pflegekräfte, die Sie auf unserer Plattform finden, sind selbständig tätig. Anhand von Bewertungen aus früheren Einsätzen können Sie eine Vorauswahl treffen und in weiterführenden Chats oder Kennenlerngesprächen die passende 24-Stunden-Pflegekraft auswählen. Wenn Sie die richtige Betreuungskraft gefunden haben, können Sie direkt mir ihr Kontakt aufnehmen und alles weitere besprechen. 

Die wichtigsten Fragen

Wie wird der Pflegegrad ermittelt?

Wer einen Antrag auf Pflegeleistungen bei der Pflegekasse stellt, bekommt diese nur dann, wenn ihm ein Pflegegrad zugesprochen wird. Um zu ermitteln, welcher Pflegegrad angemessen ist, schickt die Pflegekasse einen unabhängigen Gutachter, der prüft, in welchem Umfang die Selbständigkeit des Betroffenen beeinträchtigt ist. Anhand von bis zu 64 Fragen, aufgeteilt auf sechs Module, wird dabei die aktuelle Pflegesituation so genau wie möglich erfasst. Dabei werden nach exakten Vorgaben Punkte verteilt. Bei der anschließenden Auswertung wird den Betroffenen je nach errechneter Punktzahl ein Pflegegrad zwischen 1 und 5 zugesprochen. Bei einer Punktzahl von weniger als 12,5 wird der Antrag auf Pflegeleistungen abgelehnt, das heißt, es konnte kein Pflegebedarf und somit auch kein Pflegegrad ermittelt werden.

Ab welchem ermittelten Pflegegrad kann man 24-Stunden-Pflege in Anspruch nehmen?

Die 24-Stunden-Pflege gilt als privat organisiert und ist somit unabhängig vom ermittelten Pflegegrad. Allerdings wirkt sich der Pflegegrad auf die Finanzierung der Betreuung aus, denn ohne Pflegegrad werden auch keine Pflegeleistungen ausbezahlt, die die Kosten zumindest zum Teil decken können. Allerdings haben Betroffene, die eine 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nehmen, häufig ohnehin einen höheren Pflegegrad. Andernfalls wäre eine Pflege rund um die Uhr nämlich gar nicht erst notwendig.

Leonie Strothe
Leonie Strothe
Hallo lieber Leser, mein Name ist Leonie vom ennie-Team. Ich schreibe unsere Ratgeber-Artikel, welche unser Wissen zur häuslichen Betreuung in Struktur bringen und an unsere Leser weitergeben.
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